04.05.2015 | von René Hegel
In sieben Jahren wird in Deutschland kein kommerzielles Atomkraftwerk mehr Strom produzieren. 2022 ist endgültig Schluss. Deutschland hat den Ausstieg aus der Atomkraft im Jahr 2011 endgültig geregelt. Zurzeit laufen noch neun Atomkraftwerke. Acht sind seit dem Moratorium in der unmittelbaren Folge der Katastrophe von Fukushima stillgelegt, der Fachausdruck für diese Meiler lautet: dauerhaft im Nichtleistungsbetrieb. 19 Anlagen, meist Versuchs-, Prototyp- und Demonstrationsanlagen aus den 60er und 70er Jahren, sind definitiv stillgelegt. Einige sind schon vollständig beseitig, ein Großteil wird gerade rückgebaut.
Laut Angaben der Kernenergieindustrie betrug der Anteil der Atomkraftwerke an der Bruttostromerzeugung im Jahr 2013 15,4 Prozent, aber 34,9 Prozent an der Grundlast. Mit Grundlast wird die Bereitstellung von Strom rund um die Uhr bezeichnet. Die Bedeutung von Atomkraft-, Kohle- oder Braunkohlekraftwerken für die Grundlast hat ihren Höhepunkt überschritten. Die schnelle Entwicklung in der Stromspeichertechnologie und ihre smarte Vernetzung mit den Stromversorgern lassen schon heute eine Grundlastversorgung durch die Erneuerbaren als realistisch erscheinen. Das hat sogar die klassische Energiebranche erkannt. E.ON teilt sich deshalb gerade in eine Gesellschaft für alte und neue Stromerzeugung auf.
Deutschland hat seine Altlasten also geregelt, wie aber sieht es in der Europäischen Union aus? EU-Energiekommissar Arias Cañete betont in seinen Reden immer wieder, dass die aktuelle Juncker-Kommission die Europäische Union dauerhaft als die weltweite Nummer 1 in Erneuerbaren Energien etablieren will. Zurzeit halten die EU-Firmen nach seinen Angaben 40 Prozent aller Patente in Erneuerbaren Energien. Weltweit werden seit 2011 jährlich mehr Kapazitäten in Erneuerbaren Energien installiert als in Kernenergie und fossiler Energie zusammengerechnet. Die Europäische Energieunion, an der die EU-Kommission aktuell arbeitet, soll ihren Schwerpunkt auf Erneuerbare Energien legen. Die EU-Kommission will die Energiemärkte ausdrücklich kompatibler für Erneuerbare Energien machen. Nicht die Erneuerbaren Energien müssten sich an die Märkte anpassen, sondern die Märkte an die Erneuerbaren Energien. Tatsache ist aber auch, dass die EU-Mitgliedstaaten über ihren Energiemix selbst entscheiden und dass Kernenergie genauso gefördert werden darf wie Erneuerbare Energien.
Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Polen, Portugal und Zypern betreiben keine Atomkraftwerke. Bei den meisten Ländern wird dies so bleiben. Kroatien ist wegen der gemeinsamen jugoslawischen Vergangenheit mit 50 Prozent am einzigen slowenischen AKW beteiligt, will sich jedoch nicht bei einem eventuellen Neubau engagieren. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen planen ein gemeinsames Atomkraftwerk, obwohl in Litauen, dem Land, in dem das Kraftwerk eventuell gebaut werden soll, fast 62 Prozent bei einer Volksbefragung im Jahr 2012 gegen das Projekt abgestimmt haben. Polen plant bis 2030 bis zu 11 Atomkraftwerke, allerdings ist noch kein einziges in Angriff genommen, so dass die Pläne sogar von der amerikanischen AKW-Firma Westinghouse als utopisch bezeichnet werden.
Polen steht wegen seiner hohen CO2-Werte durch den massiven Einsatz von Kohle innerhalb der EU stark unter Druck. Dass die Kernenergie dieses Problem wirtschaftlicher lösen kann als Erneuerbare Energien ist mehr als zweifelhaft. Großbritannien kann seinen AKW-Bestand nur mit massiven Stromsubventionen erneuern, ohne diese hätte es keinen Betreiber gefunden. Über 35 Jahre wird ein Abnahmepreis garantiert, der um das Zwei-bis Dreifache über den aktuellen Marktpreisen liegt, Inflationsausgleich inbegriffen. In Großbritannien laufen zurzeit 16, in Frankreich 58 AKW, in allen anderen Ländern sind es 10 oder weniger. An diesen Zahlen wird deutlich, dass die Atompolitik in diesen beiden Ländern noch immer eine militärische Komponente hat, denn Frankreich und Großbritannien sind die einzigen Atommächte innerhalb der EU.
Belgien, Schweden und Spanien haben im Prinzip einen Atomausstieg schon beschlossen, die Laufzeiten werden aber immer mal wieder verlängert. In Spanien ist die Wirtschaftlichkeit der Atomanlagen allerdings schon durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien bedroht. Wegen steigender Anteile von Wind- und Sonnenenergie muss jedoch immer öfter ein AKW vom Netz genommen werden.
Das deutsche und spanische Beispiel unterstreichen, dass es die Verbraucher sind, die den Schlüssel für die Nutzung der Atomkraft in Europa in den Händen halten. Je stärker diese auf die Nutzung von Erneuerbaren Energien setzen und in ihrem eigenen Bereich auch verwirklichen, desto unattraktiver wird die Kernenergie für die Energieerzeuger. So unattraktiv, dass sich auch in Zukunft eine britische und eine französische Regierung genau überlegen werden, ob sie sich die Erneuerung ihrer Atomkraftwerke überhaupt noch leisten können.
Sie haben Fragen?
Gerne. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.
Beratungstermin
Tel. 02234 430 8155
Gerne stehe ich Ihnen für eine individuelle Beratung zur Verfügung.
Kontaktformular
SolarEnergie Netzwerk Dr.-Gottfried-Cremer-Allee 12 D-50226 Frechen Tel. 02234 430 8155